Füchse für die Integration

Wahrhaft beseelt verließen ca. 60 Jüterboger am Freitagabend einen Vortragsabend in der Gaststätte „Fuchsbau“. Die Organisatoren von der Flüchtlingshilfe Jüterbog hätten keinen passenderen Ort finden können, um einem jungen Mann aus Berlin zu lauschen, der mit atemberaubend schönen Fotos über Füchse und Flüchtlingskinder in Berlin berichtete.

Jon Andoni Juarez kam 2011 nach Berlin, um an der Freien Universität eine Doktorarbeit über Biorobotiks und das Verhalten von Bienen zu schreiben. Der junge Katalane aus Barcelona hatte im letzten Studienjahr an der Universität einen Kurs für Naturfotografie besucht. Und es wurde seine große Leidenschaft. Von hoher Professionalität und Kunstfertigkeit zeugen die Fotografien, die er präsentierte.

Wie gebannt schauten die einheimischen und neu hinzugezogenen Jüterboger auf die Folge von Bildern auf der Leinwand und lauschten den Worten von Jon A. Juarez. In perfektem Deutsch präsentierte er zunächst eine Folge von Fuchsfotografien. Nahaufnahmen, die von seiner Bewunderung für diese Tiere zeugen.
Als er dann die Zahl von ca. 5000 Füchsen nannte, die in Berlin leben, konnten das viele kaum glauben. Es sind Stadtfüchse, die sich in ihrem Verhalten sehr von den Füchsen auf dem Land unterscheiden, Füchse, die ihn faszinieren. Aber nicht nur ihn.

Davon berichtete er im zweiten Teil seines Vortrages. Denn Jon Juarez nahm einen Job in einem großen Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Berlin auf, um sich Geld zu verdienen. Drei Jahre lang arbeitete er auf dem Gelände der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Berlin-Spandau, einem riesigen Areal mit vielen leer stehenden Gebäuden und brachliegenden Flächen, in denen sich die Natur frei entwickeln konnte. So zogen neben den zeitweilig bis zu 1000 Geflüchteten auch viele freilebenden Füchse hier ein. Sie wurden die Objekte für seinen Blick mit der Kamera.
Anders war das bei Reza oder Narges oder Stanko. Diese Flüchtlingskinder hatten zunächst mit Steinen nach den Füchsen geworfen und mit Stöckern versucht, sie zu verjagen, weil sie sie für gefährlich hielten. Dann erlebten sie, wie Jon stundenlang auf der Lauer lag, um diese Tiere zu fotografieren.
Er zeigte ihnen die Bilder und öffnete ihnen die Augen für die Schönheit und Klugheit dieser Tiere. Bald gesellten sich die Kinder zu ihm. Noch nie hatten sie eine Fotofalle gesehen oder eine so teure Kamera mit riesigem Teleobjektiv in der Hand gehabt. Jon Juarez ließ die Kinder selbst fotografieren. Gemeinsam lagen sie oft stundenlang und warteten auf die Füchse. Es entwickelte sich ein herzliches Verhältnis zwischen ihm und den Flüchtlingskindern. Er lehrte sie den Respekt vor diesen Tieren und sie halfen ihm, fantastische Fotos zu machen. Davon berichtete er so lebendig und fröhlich, dass die Zuhörer im Fuchsbau oft herzlich lachten. Aber es standen vielen auch Tränen in den Augen, als er davon erzählte, wie einige mazedonische Kinder, die mit ihm zwei Füchse, die eine Woche lang in einem Gebäude eingeschlossen und fast verhungert waren, befreiten, einen Tag später durch einen großen Polizeieinsatz abtransportiert und abgeschoben wurden. Seine „kleinen Helden“ vergisst Jon Juarez nicht. Sie haben ihm einen neuen Weg in seinem Leben gewiesen.

Jetzt bietet er an Berliner Schulen Kurse für Fotografie und Mikroskopieren für Kinder an. Und er arbeitet an einem Fuchs-Kinderbuch, das demnächst erscheinen wird. Carola Langer, die Leiterin der Jüterboger Bibliothek, hatte sofort die Idee, ihn dann zu einer Buchvorstellung erneut nach Jüterbog einzuladen.

Als Jaqueline Neumann am Schluss der Veranstaltung zum Frühjahrsputz in der Stadt am nächsten Tag einlud, gab Jon Juarez noch eine Zugabe. Er zeigte Fotos, die er unlängst an der schottischen Küste gemacht hatte. Schockiert von dem vielen Plastikmüll, den er dort am Strand überall fand, wurde auch hier der Künstler in ihm wach. Aus den Flaschen, Büchsen, Dosen, Tüten gestaltete er „Plastik-Schildkröten“ und Plastik-Wale. Und wieder entstanden beeindruckende Fotos mit einer klaren Botschaft: Schluss mit der Plastikwegwerfmentalität.

Mechthild Falk und Carola Meysel von der Flüchtlingshilfe Jüterbog dankten dem Referenten für seinen augenöffnenden und herzbewegenden Vortragsabend.

© Jon A. Juarez
© Jon A. Juarez

www.joanjuga.com

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